Wie ich zum Marry Man wurde... / by Christoph Sauer

Eine der ersten Frage, wenn ich mich das erste Mal mit meinen Brautpaaren treffe, lautet: “Wie bist Du eigentlich Marry Man geworden”?


Die Geburtsstunde des Marry Man lässt sich ziemlich genau datieren: Es war ein heißer Septembertag im Jahr 1997. Und es war in Washington D.C.


Ein guter Freund hatte mich zu seiner Hochzeit in die USA eingeladen und mich zu seinem Trauzeugen (“Best Man”) bestimmt. Auf meine Frage, ob die Hochzeit im Standesamt oder in der Kirche stattfindet, meinte er noch kryptisch: “Weder noch. Lass dich überraschen.”


Nun waren Freie Trauungen in Deutschland Ende der 1990er Jahre gänzlich unbekannt. Und ich war in der Tat etwas irritiert, als man mir sagte, es handle sich um eine “Symbolische Trauung” und finde unter freiem Himmel statt.


Aber die Überraschung ging auf: Die Hochzeitsgesellschaft wurde -standesgemäß in einer Stretch-Limo - zu einem Park am Ufer des Potomac-River gefahren. Eine Rednerin leitete die Zeremonie, die von der Abfolge einer klassischen Hochzeits-Zeremonie nicht unähnlich war. Aber es war eben viel persönlicher, als ich es jemals zuvor erlebt hatte: Die Rednerin hielt eine sehr persönliche Ansprache, eine Harfenistin spielte den Lieblingssong des Brautpaares, und beide Mütter zitierten ein Gedicht von Ernest Hemingway, jeweils auf Englisch und auf Deutsch. Eine Geste an die älteren Gäste aus Deutschland, die des Englischen nicht mächtig waren.


Das alles, verbunden mit der schönen, friedlichen Landschaft um uns herum, hat auf mich einen so nachhaltigen Eindruck in den Tagen danach hinterlassen, dass ich auf dem Flug zurück nach Deutschland dachte: “Sowas müsste man in Deutschland auch machen.”
Es dauerte dann noch ein paar Jahre, dass ich 2003 am Rande einer Geburtstagsfeier mit einer Hochzeitsplanerin ins Gespräch kam, die dringend auf der Suche nach einem Redner für eine Hochzeit in Wiesbaden war.

Ich bat mir einen Tag Bedenkzeit aus, überlegte mir ein ungefähres Ablaufkonzept und saß eine Woche später im Garten des Brautpaares zum Kennenlerngespräch. Die Braut war aus den USA, der Bräutigam stammte aus Berlin. Hinzu kam, dass der Vater des Bräutigams bedauerte, dass das Paar sich gegen eine kirchliche Trauung entschieden hatte, und er brachte mir das auch in sehr deutlichen Worten zum Ausdruck. Aber genau das stachelte meine Motivation an.


Und um es kurz zu machen: Die Trauung war ein voller Erfolg. Das Lampenfieber war enorm. Aber als der Brautvater hinterher zu mir kam und mir zuraunte: “Ick war ja erst etwas skeptisch. Aber det eben, det haben Se jut jemacht.” Feuertaufe bestanden. Und ein kleiner Ritterschlag.

Jetzt fragte sich nur, wie sich neue Brautpaare finden ließ. Eine Website musste her, und ein Name: “Hochzeitsredner” erschien mir zu banal. Ich wollte irgendetwas Eingängigeres finden, etwas dass meine Philosophie zum Ausdruck brachte und zugleich eine Reminiszens an mein Schlüsselerlebnis 1997 war. “Marry Man”, das war die Lösung. Und eine spontane Umfrage unter Freunden fand den erhofften positiven Anklang. Um sicherzugehen, dass niemand mir den Begriff wegschnappt, habe ich ihn mir sogleich als Wortmarke beim Europäischen als auch Schweizer Patentamt geschützt.

Der nächste Schritt: Ein eigener “Marry Man”-Stand auf der Hochzeitsmesse in Mainz (wo ich damals noch lebte). Einige skeptische Blicke gab es schon: Eine Brautmutter, die mit ihrer Tochter vorbeischaute, dachte zunächst, es handle sich um eine Junggesellenversteigerung. Glücklicherweise ließ sich das Missverständnis rasch aufklären, und wenige Wochen später war ich bei ihnen als Hochzeitsredner engagiert.

Ein zweiter Glücksfall ergab sich während der Messe: Ein Zeitungsreporter der “Allgemeinen Zeitung Mainz” wurde neugierig und erwähnte mich samt Foto in seinem Bericht. Diesen Artikel las ein Redakteur des SWR Mainz. Und diesem verdanke ich eine halbstündige TV-Dokumentation über meine Arbeit (“Der Hochzeits-Profi”), die Jahre später noch in allen anderen Dritten Programmen wiederholt wurde.

Kaum auszudenken, dass ich den Messestand noch kurz vor Eröffnung kündigen wollte, hatte ich doch übersehen, dass die Gebühr für die Standmiete sich nicht - wie angenommen - auf den kompletten Stand, sondern lediglich auf den Quadratmeter bezogen hatte, und hinzu kamen noch Licht und Strom.

So spielt das Leben, und nach so vielen Jahren bin ich glücklich und dankbar, über 400 Trauungen später noch immer soviel Freude an meinem Job zu haben. Jedes neue Brautpaar hat seine eigene Geschichte und einen eigenen Ort für eine neue Traumhochzeit.

Und jedesmal ist es ein tolles Gefühl, wenn eine neue Anfrage im Mailpostfach liegt, das mit den Worten beginnt: “Lieber Marry Man, möchtest Du unser Hochzeitsredner sein?”…